1998 – Kreta
Eine Woche mehr Kultur also sonst in 10 Jahren
Es war Mitte Oktober und ich hatte gerade zwei Wochen Urlaub und überlegte, ob ich nicht mal alleine eine Städtereise unternehmen sollte. Als mögliche Ziele habe ich mir Athen oder Rom vorgenommen. Als das mein Vater mitbekam, fragte er, ob ich denn mal nicht mit ihm eine Woche in Kreta verbringen wollte.
Buchstäblich in letzter Minute, nämlich ein Tag vor dem Abflug buchte mein Vater mit Olympic Airways einen normalen Economyflug über Athen nach Kreta. Ein Europcar Mietauto und vier Nächte im Ikarus Village, ca. 30 km südlich von Iraklio hat er auch gleich mitgebucht. Also setzen wir uns an einem trüben Oktobermorgen in München in den Flieger, um einige Stunden später im sonnigen Kreta wieder ausgespuckt zu werden.
Die erste positive Überraschung erwartet uns in Iraklio. Das Flugzeug landet pünktlich und unsere Koffer sind da. Die erste negative Überraschung erwartet uns gleich beim Europcar Büro. Der Angestellte will unseren Gutschein für das Auto zuerst nicht nehmen, da es sich nur ein Fax handelt. Doch nach kurzer englischer Diskussion wendet sich das Blatt. Wir bekommen den Schlüssel ausgehändigt, sowie eine kurze Erläuterung zu Verhaltensregeln im kretischen Verkehr. Der Mann klärt uns auf: sollten wir von der Polizei wegen eines Vergehens angehalten werden und zur Kasse gebeten werden, so sollen wir nur denen nur die Telefonnummer von Europcar geben, das würde genügen. Wir haben Abmachungen mit der Polizei, erklärt er schmunzelnd.
Also machen wir uns auf den Weg. Ohne Probleme kommen wir zu unserem Hotel in Malia. Es ist direkt am Meer und besteht aus vielen kleinen Bungalows. Das Essen wird natürlich in Büffetform gereicht, die Qualität ist aber ausgezeichnet. Tennisplätze sind genauso vorhanden, wie ein ausreichend großer Pool und ein langer Sandstrand.
Nach einem Erholungstag machen wir die erste Erkundungstour: Agios Nikolaos ist es eine Kleinstadt an der Nordküste mit vielen kleinen Restaurants direkt am Meer. Am nächsten Tag steht Iraklio auf dem Programm. Zuerst fahren wir zu der berühmtesten Ausgrabungsstätte, nämlich Knossos, einige Kilometer südlich der Hauptstadt. Es ist fast Ende Oktober, kurz vor Saisonende und die Touristenströme halten sich in Grenzen. Mein Eindruck ist gemischt. Einerseits ist es hochinteressant, über Steine zu laufen, die zu den ersten Siedlungen in Europa überhaupt gehören, anderseits stört mich ein wenig, das diese Ausgrabungsstätte zum Teil so restauriert wurde, daß man oft nicht unterscheiden kann, wo es sich um Originale und wo um Restaurierungen handelt. Die berühmtesten Fresken wurden hier abgabaut, ins Museum transportiert und durch Kopien ersetzt. Nachdem wir uns sattgesehen haben, fahren wir nach nach Iraklio rein und schauen die dortige Festung an. Nach dem Mittagessen statten wir dem größten und bekanntesten Nationalmuseum Griechenlands noch einen Besuch ab. Hier finden wir alle Originale aus Knossos und vielen anderen Ausgrabungsstätten. Da hier täglich Unmengen von Touristen durchgeschleust werden, wurde alles so in 22 verschiedenen Räumen angordnet, daß man von 1 bis 22 die gesamte griechische Geschichte durchläuft. Fast alle Fundstücke befinden sich in Glasvitrinen. Achtet man auf das einfallende Licht und hält man die Video- oder Fotokamera direkt an die Glasscheibe, kann man wunderbare Aufnahmen im Makrobereich machen.
An einem weiteren Tag machen wir einen Ausflug in die Lassithi Hochebene. Die Straßen sind zwar eng, aber recht gut ausgebaut, da hier auch alle Touristenbusse durchfahren müssen. Die Orte sind allerdings teilweise recht schlecht ausgeschildert, einige Male müssen wir Einheimische befragen, die aber alle sehr freundlich Auskunft geben. Den längsten Halt machen wir bei der Höhle des Zeus. Während vor 20 Jahren man diese Höhle nur mit einheimischen Führern und Lampen ausgestattet betreten durfte, ist es heute kein Problem mehr. Überall sind Lampen und Geländer angebracht. Bekannt wurde diese Höhle, da der Sage nach hier angeblich Zeus vor seinem zornigen Vater versteckt wurde.
In der zweiten Wochenhälfte wollen wir noch den Rest des östlichen Kreta erkunden, also verlassen wir unser Hotel in Richtung Osten. Wir machen Halt in Elouna und anschließend in Krista, wo uns eine der ältesten Kirchen mit seinen weltberühmten Fresken erwartet. Es sind nur wenig Touristen unterwegs und wir fahren zuerst mal glatt daran vorbei. In der Kirche ist jegliches Filmen und Fotografieren verboten, man will diese geschichtlichen Schätze auch noch der Nachwelt erhalten. Früh Nachmittags durchqueren wir die Insel an ihrer engsten Stelle und landen in Ierapetra, der größten Stadt der Südküste. Es ist allerdings eine Industriestadt und das empfohlene Hotel liegt zwar am Meer, macht aber keinen sehr einladenden Eindruck auf uns, da es inmitten eines Industriegebietes liegt. Also fahren wir weiter und nehmen uns Mattala als das Tagesziel vor. Es sind zwar keine 200km dorthin, allerdings ist die Straße eng und kurvig und so kommen wir nur langsam voran. Wir machen nochmal Halt in Mirtos. Dort gibt es viele kleine Pensionen und Appartements, das Städchen schaut richtig idyllisch aus. Nach einem kurzen Spaziergang fahren wir weiter. Mehrmals müssen wir wieder nach dem Weg fragen, da die Straßen zwar in lateinischer Schrift aber mehr schlecht als recht beschildert sind. Schließlich geraten wir 20km vor unserem Ziel in ein heftiges Gewitter. Kaum was sehend, fahren wir an einer Abzweigung vorbei und stehen auf einmal mitten im Dorf in einer Schafherde. Straße sieht man inzwischen keine mehr, da sich alles in einen Wildbach verwandelt hat. Kurz vor Dämmerung erreichen wir dann aber doch das kleine Städtchen Matala. Durch das Gewitter ist im ganzen Ort der Strom ausgefallen und so werden wir mit Kerzen bewaffnet, in eine kleine einfache Pension geführt. Außerhalb der Hauptsaison ist es auf ganz Kreta kein Problem, Unterkunft zu finden. Vor 20 Jahren bestand Matala aus nicht mehr als 5 Häusern, heute ist es jedoch der bekannteste Punkt an der kretischen Südküste. Berühmt wurde es in den 60´er Jahren, als viele damalige Aussteiger in den Höhlen von Matala übernachteten, die schon auch vor 2000 Jahren bewohnt waren. Am nächsten Tag fahren wir weiter und machen natürlich einen Halt in Feistos, der anderen berühmten Ausgrabungsstätte. Hier hat es mir viel besser gefallen, da sich die Restaurierung noch nicht in einem so fortgeschrittenen Stadium befindet, wie in Knossos.
Am Nachmittag überqueren wir die Insel zurück nach Norden. Rethimno erweist sich als eine kleine malerische Stadt mit Festung, Kirchen und Moscheen. Als Übernachtungsort haben wir uns aber Agia Pelagia, ein kleines Touristenstädchen 20km vor Iraklio an der Nordküste ausgesucht. Zwei der vorgesehenen Hotels gefallen uns aber nicht, da sie keinen Strand haben, das dritte schließlich ist ein schweizer Sofitel. Trotz Nebensaison sind die Preise in solch astronomischen Höhen, und die unfreundliche Empfangsdame nicht bereit eine einzige Mark vom verlangten Preis abzurücken, daß wir uns entschliessen weiterzufahren. Wir fahren an Iraklio vorbei und landen in Hersonissou, dem bekanntesten Badeort Kretas. Wir suchen uns ein Hotel aus, daß direkt am Meer liegt. Der Empfangschef macht uns einen Preis für die Halbpension, den wir nicht ablehnen können. Beim Abendessen stellt sich jedoch raus, daß wir in einem typischen Neckermann Hotel gelandet sind. Das ist die Kategorie für 398 DM incl. Flug, Unterkunft und Halbpension für eine Woche. Na gut, am nächsten Tag verzichten wir auf das Hotelessen und besuchen lieber ein einheimisches Restaurant. Leider ist das Wetter inzwischen schlechter geworden und es ist kräftiger Wind aufgezogen. Wie uns Einheimische mitteilten, haben wir bisher Glück gehabt, da jetzt das typische kretische Herbstwetter angebrochen ist.
Schließlichist aber unser letzter Tag angebrochen und wir machen uns auf den Weg zum Flughafen. Alles läuft reibungslos, so daß uns beim Stop in Athen noch fünf Stunden für die Akropolis bleiben. Da Taxis in Athen, im Verhältnis zu Deutschland, relativ günstig sind, nehmen wir sie für beide Wege, um Zeit zu sparen. Es ist zwar Mittwoch, aber es ist auch griechischer Nationalfeiertag und so bleiben wir bei der Besichtigung nicht allein. Das gefährlichste an der Besichtigung ist der gepflasterte Weg, der schon abermillionen Touristen zum Ausrutschen gebracht hat. Verläßt man diesen Weg auch nur um einen Zentimeter, so wird man von Wärtern mit Trillerpfeifen sofort wieder auf den richtigen Weg gebracht. Schließlich hake ich diesen Besuch der so berühmten Akropolis unter „muß man mal gesehen haben“ ab. Am Abend sind wir schließlich wieder zurück in München.
Und das Resumee dieses einwöchigen Urlaubs:
Kreta sollte man auf jeden Fall in der Nebensaison besuchen, da es in der Hauptsaison mit Touristen aus aller Welt vollkommen überlaufen ist. In der Nebensaison bekommt man problemlos überall Unterkunft, man muß nicht unbedingt vorreservieren. Ist der Preis zu hoch, so kann man auf jeden Fall verhandeln. In Ferienhäusern und Pensionen, die überall zu finden sind, läßt sich ebenfalls günstig übernachten. Organisierte Reisen sind nicht jedermanns Sache und Kreta läßt sich wunderbar auf eigene Faust erkunden. Die Leihautos sind zwar nicht gerade billig, aber in sehr gutem Zustand. Gewöhnungsbedürtig ist für viele Deutsche sicherlich die Fahrweise der Einheimischen. Man sollte auf jeden Fall immer ganz rechts fahren, da viele ohne Rücksicht auf Gegenverkehr überholen. Straßenregeln gibt es nur wenige, am Sonntag sollte man sich jedoch an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten, da da die meiste Polizei unterwegs ist. Möchte jemand mit Rucksack und Bus durch das Land reisen, so ist Kreta geradezu dafür geschaffen, denn jedes, noch so kleinstes Dorf läßt sich günstig mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen.
In vielen Reiseführern wird behauptet, daß die kretische Gastfreundschaft durch die vielen Touristen im Laufe der Jahre gelitten hat. Das mag vielleicht für einige Touristenbunker, wo sich Touristen eben wie Touristen benehmen, vielleicht gelten. Abseits der großen Touristenströme kann man jedoch noch überall die typische kretische Gastfreundschaft spüren. Verhält man sich eben nicht als Tourist, sondern als Gast in einem fremden Land, so wird jeder Kreta von seiner positivsten Seite kennenlernen.