Wie wähle ich ein Filmbearbeitungsprogramm aus
In meinem heutigen Workshop möchte ich mich der Auswahl eines Filmbearbeitungsprogramms widmen. Das hier ist kein Testcenter, ich will nur einige Tipps und Anregungen zur Auswahl eines geeigneten Programms sowohl für die ersten Gehversuche, als auch für ambitionierte Hobbyfilmer in der Videobearbeitung geben.
Definition: Filmbearbeitungsprogramme ( oder auch Videobearbeitungsprogramme ) haben in der Fachwelt eine englische Bezeichnung und Abkürzung: NLE steht für „Non Linear Editing“. So werden heute alle Programme zur Bearbeitung von Filmen auf dem PC genannt. Ich werde hier diese Abkürzung auch verwenden und vom „NLE-Programm“ reden. Wenn ich vom PC schreibe, meine ich natürlich auch Apple Macs und PC´s, die unter anderen Betriebssystemen als Windows laufen.
Vorbemerkung: Das NLE-Programm ist nicht für einen guten Film entscheidend, aber ohne ein solches Programm ist es schwer, auf dem PC einen fertigen Film zu erstellen. Es macht auch keinen Spaß, wenn ich mit einem NLE Programm arbeite, mit dem ich nicht zurecht komme oder das einen sehr hohen Lernaufwand erfordert. Es gibt neben der Bearbeitung auf dem PC auch Spezialgeräte, wie z.B. Geräte der Firma MacroSystem. Das sind allerdings für sich abgeschlossene Systeme, auf die ich hier nicht weiter eingehen werde. Allerdings gelten dort für die Bearbeitungsschritte die gleichen Auswahlkriterien.
Bearbeitungsschritte
Von der Kameraaufnahme bis zum fertigen Film sind es immer mehrere Bearbeitungsschritte. Für jeden diesen Bearbeitungsschritte gibt es natürlich Spezialprogramme. Für die ersten Gehversuche möchtest Du aber am besten nur ein Programm verwenden, also sollte das gewählte NLE-Programm die Hauptbearbeitungsschritte, also Einspielen, Bearbeitung und Ausspielen können und möglichst vieler der hier erwähnten Einzelschritte beherrschen.
Folgende Schritte sind in der Regel nötig und sollten von einem NLE-Programm beherrscht werden:
- Einspielen: Überspielen des Filmmaterials auf den PC
- bei SD (PAL Fernsehauflösung) und HDV Aufnahmen auf MiniDV Band oder DVD sollte eine Einlesemöglichkeit mit Szenentrennung vorhanden sein
- bei SD und AVCHD Aufnahmen auf DVD, Flash-Karten oder Festplatte wird das meistens ohne Spezialprogramm mit dem Windows-Explorer erledigt
- Bearbeitung: Erstellen eines fertigen Films
- Erstellen von einzelnen Projekten für jeden Film
- Einfügen der Filmszenen
- Anordnen und Auswählen der Filmszenen auf der Zeitleiste („Timeline“) oder im Ablaufplan („Storyboard“)
- Ablaufreihenfolge der Filmszenen festlegen
- „Trimmen“ der Filmszenen, also Anfang und Ende jeder Szene anpassen
- Aufblenden und Abblenden von Filmszenen
- Weiches Überblenden von zwei Filmszenen (alle anderen Effekte sind am Anfang unnötig)
- Szenen-Hilfsmittel wie Entwackelung und Farb- und Lichtkorrektur
- Erstellen eines Titels und eines Abspanns
- Aufnehmen von Kommentar (wird aber meistens in Audioprogrammen gemacht)
- Einfügen vom gesprochenen Kommentar in den wichtigsten Formaten (wav, mp3, wma)
- Einfügen von Geräuschen und Musikstücken in den wichtigsten Formaten (wav, mp3, wma)
- Trimmen, Aufblenden, Abblenden und Überblenden von Geräuschen und Musikstücken
- Speichern des fertigen Projekts für spätere Weiterverarbeitung
- Ausspielen: Exportieren des fertigen Filmes in verschiedene Formate
- Ausgabe als SD oder HDV auf miniDV Band (per Kabel wieder in die Kamera)
- Originalformat, also das gleiche Format, wie die Filmszenen einzeln vorliegen
- Für weitere Verwendung oder Archivierung: AVI, MPG, WMV, usw.
- Ausgabe auf DVD mit Menüerstellung und Brennen der DVD
- Direktes Exportieren auf Videoplattformen im Internet
Möglicherweise brauchst Du für den Anfang bei der Ausgabe nur 1 oder 2 der 5 Möglichkeiten, meistens ist das Wichtigste die Erstellung der DVD. Das ist für die Weitergabe bzw. auch Vorführen eines Films ausserhalb der eigenen vier Wände das weitverbreitetste Format, da in jedem Haushalt ein DVD Spieler vorhanden ist.
Programme für Filmbearbeitung
In der vorlienden Tabelle findet ihr eine ausführliche Liste von Filmbearbeitungsprogrammen für Windows, Mac und Linux. Da ich die Liste nicht dauernd aktuell halten kann, ist es durchaus möglich, dass es einige der Programme evtl. gar nicht mehr auf dem Markt gibt oder sich deren Preis möglicherweise verändert hat. Ich gebe hier auch absichtlich keine Versionsnummern an, da es natürlich immer wieder neue Versionen gibt, die dann einen erweiterten oder verbesserten Umfang haben. Inzwischen sind auch die meisten Programme HD tauglich.
Produktbezeichnung | ca. Preis in Euro | Betriebssystem |
Microsoft Movie Maker | kostenlos | Windows |
Adobe Premiere Elements | 100,- € | Windows |
Adobe Premiere Pro | 1.000,- € | Windows |
Apple iMovie (+) | kostenlos / 79,- € | Apple Mac |
Apple Final Cut Studio | 999,- € | Apple Mac |
Avid Liquid | 549,- € | Windows |
Avid Liquid Pro | 929,- € | Windows |
Avid Liquid Chrome Xe | ab 1.098,- € | Windows |
Avid Media Composer | ab 2.298,- € | Windows / Apple Mac |
Cinelerra CV (**) | kostenlos | Linux |
Corel / Ulead Video Studio | 89,- € | Windows |
Corel / Ulead Video Studio Pro | 130,- € | Windows |
Corel / Ulead Media Studi | 359,- € | Windows |
Cyberlink Power Direcor | 89,- € | Windows |
Grass Valley / Canopus Edius Neo | 199,- € | Windows |
Grass Valley / Canopus Edius | 699,- € | Windows |
Jahshaka (*) | kostenlos | Linux |
Kino (*) | kostenlos | Linux |
LiVES | kostenlos | Linux |
Magix Video Easy | 50,- € | Windows |
Magix Video Deluxe | 70,- € | Windows |
Magix Video Pro X | 349,- € | Windows |
Movavi VideoSuite | 47,- € | Windows |
Pinnacle Studio | 59,- € | Windows |
Pinnacle Studio Plus | 199,- € | Windows |
Pinnacle Studio Ultimate | 129,- € | Windows |
Sony Vegas Movie Studio | 42,- € | Windows |
Sony Vegas Movie Studio Platinum | 78,- € | Windows |
Sony Vegas Movie Studio Pro Pack | 94,- € | Windows |
Sony Vegas Pro | 650,- € | Windows |
(+) Kostenlos als Teil von iLife bei neuen iMacs
(*) Diese Programme werden aktuell nicht weiterentwickelt
(**) Weiterentwicklung nach Abspaltung nicht klar
Tipps für die Auswahl
Da jedes der kommerziellen Programme prinzipiell die wichtigsten Schritte beherrscht, kann ich für den Anfang die günstigsten Programme verwenden. Grenzen der einzelnen Programme erreiche ich am schnellsten, wenn es um die Bedienbarkeit („Usability“) und die Reihenfolge der Schritte („Workflow“) geht. Da kann ich Dir nur einen Tipp geben: Die meisten kommerziellen Hersteller bieten eine sog. „Trial-Version“ an, wo ich in der Regel die wichtigsten Funktionen ausprobieren kann, um selber festzustellen, ob ich mich mit der Arbeitsweise zurechtfinde.
Die kostenlosen Programme sind bei der Filmbearbeitung sehr rar. Auf der Windows Plattform ist es nur der MovieMaker, genauso wie iMovie auf der Apple Plattform, das zwar kostenlos ist, aber nur bei den neuen iMacs. Auf der Linux Plattform wurde einige erfolgversprechende Projekte wieder eingestellt und die Weiterentwicklung anderer ist unklar, so dass ich im Moment nur abraten kann. Aber natürlich kannst Du Dir bei entsprechenden Kenntnissen ein Linux System mit einem der Programme installieren, nur ist es meiner Meinung nach nichts für Deine ersten Gehversuche.
Viele Hersteller bieten verschiedene Versionen ihrer Programme an, die auch einen unterschiedlichen Funktionsumfang haben. Ein Vergleich lohnt auch alle Fälle, da Du hier möglicherweise viel Geld sparen kannst. Ausserdem bieten einige Hersteller auch Sonderangebote, gerade das sog. „Crossgrade“, also man steigt von einem Programm auf ein anderes um. Das „Crossgrade“ ist häufig sehr günstig, hat aber auch Einschränkungen, dass dem neuen Programm z.B. verschiedene Zusatzbeigaben fehlen, also Fremdprogramme, die beim Crossgrade nicht dabei sind.
Eine erste Grenze bei einigen NLE-Programmen ist schon mit dem Einlesen und Trennen der Szenen erreicht, wenn sie auf miniDV Band oder DVD vorliegen. In diesem Fall ist die automatische Szenentrennung wichtig, da ein manuelles Trennen sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Das wird weder von dem kostenlosen MovieMaker noch vom Marktführer Abobe in der Elements Version entweder gar nicht oder nicht richtig beherrscht.
Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die richtige Erkennung von SD, HDV und AVCHD Material, sowie 4:3 und 16:9 Material. HDV und AVCHD sind nicht standardisiert, jeder der großen Hersteller (Canon, Panasonic, Sony) verwendet sein Format, also hilft nur ausprobieren. Habe ich schon meine Kamera, dann nehme ich einige Szenen auf und versuche sie in die verschiedenen Programme einzulesen. Wenn ich noch keine Kamera habe, dann kann ich im Internet nach original Material suchen. Das Wort „Original“ sei betont, es hilft nicht, Testaufnahmen von einer Videoplattform zu laden, da diese Aufnahmen schon gewandelt sind. Durch ausführliches googeln findet man solches Material meistens in Foren verlinkt.
Bevor ich zur technischen Qualität der Ausgabe komme, muss ich noch ein wichtiges Wort zum Thema Arbeitsgeschwindigkeit verlieren. Während bei SD Bearbeitung (also PAL Fernsehauflösung) das Bearbeiten in Real-time in jedem Programm vorhanden ist, ist das bei HDV und AVCHD anders. Real-time bedeutet, dass ich eine oder auch mehrere Spuren „live“ im NLE-Programm abspielen kann, ohne dass neu gerechnet („rendern“) werden müsste. Bei HDV geht das eingeschränkt auf genügend schnellen Rechnern (Quad-Core) oder mittels zusätzlicher Video-Hardware. Bei AVCHD geht das wegen der sehr rechenintensiven Komprimierung nur sehr bedingt. Ein Quad-Core mit 3GHz ist auf jeden Fall nötig, dass das NLE-Programm zumindest eine Spur Real-time abspielen kann. Aus diesem Grund hat man entweder den Proxy-Schnitt (bearbeiten mit verminderter Qualität und dann rendern und auspielen) oder die Möglichkeit in ein proprietäres sog. „intermediate“ Format zu wandeln (z.B. Canopus HQ). Bei beiden Möglichkeiten erfolgt das Ausspielen natürlich nicht Real-time, aber es ist die beste Möglichkeit AVCHD Material zu bearbeiten.
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist die technische Qualität der Ausspielung. Trotz oft engegensätzlicher Meinung: Alle Ausgabeformate sind komprimiert (also wird das Bild und der Ton dabei schlechter), ausser ich gebe Vollbilder aus. Also ist mitentscheidend, welche Optionen für die verschiedenen Komprimierungen mir das Programm mir für die Ausgabe anbietet, oder ob der Standardwert gute Ergebnisse liefert.
Eine weitere Rolle bei der technischen Qualität spielt auch die technische Qualität von Titeln, Aufblendungen, Überblendungen und anderer Effekte. Auch hier muss man das ausprobieren, ob man mit der Qualität zufrieden ist. Soll das Ergebnis per Beamer auf einer großen Leinwand projiziert werden, so sind die Ansprüche an diese technische Qualität sicherlich ungleich höher, das spielt aber für Dich und Deine ersten Gehversuche erstmal keine so große Rolle. Grundsätzlich kann man aber schon sagen, dass diese Qualität bei den teuereren Programmen natürlich zunimmt, sie ist aber bei keinem Programm so schlecht, dass man es sofort sehen würde.
Zusammenfassung der Kriterien
- Benötigte Version (Standard, Pro, Platinum, Ultimate, usw.)
- Bedienbarkeit
- Arbeitsgeschwindigkeit
- Klare Reihenfolge der Einzelschritte
- Unterstützung des richtigen Formats (also der Szenen aus der eigenen Kamera)
- Automatisiertes Einlesen von Szenen aus der Kamera und richtige Erkennung
- Unterstützung der benötigten Ausgabeformate (DVD, BlueRay, HDV, AVCHD, Originalformat usw.)
- Technische Qualität der Hilfsmittel in der Ausgabe (Titel, Übergänge, Effekte)
- Technische Qualität des ausgegebenen fertigen Films
Das war´s für heute, ich hoffe, dass Du nach dem Durcharbeiten dieses Workshops schon besser entscheiden kannst, welches der Programme für Dich in Frage kommt und Du damit auch das Ergebnis Deiner ersten Gehversuche fertigstellen kannst.