Camcorder, Systemkamera oder DSLR?
Welche Art von Kamera ist am Besten zum Filmen geeignet? Ein richtiger Camcorder, eine Systemkamera oder eine Spiegelreflex oder SLT-Kamera?
Nach nunmehr 4 Jahren Erfahrung mit allen drei verschiedenen Kameraarten habe ich mir mal diese Frage gestellt. Gleich eins vorneweg: Es gibt keine „beste“ Kamera zum Filmen.
Vor 10 Jahren hatte man noch nicht viel Auswahl, da gab es zum Filmen nur Camcorder, die in SD Qualität auf DV-Band aufnahmen und das war es. Mit fortschreitender Technik wurden die Möglichkeiten nun vielfältiger und erschwinglicher. 2011 habe ich mir mit der Sony SLT A65 eine DSLR / SLT Fotokamera gekauft und auch viel damit gefilmt. Parallel dazu benutzte meine Frau eine Kompaktkamera, die Sony HX9. Dann kam eine Sony NEX-3N ins Haus, Anfang dieses Jahres habe ich meine A65 gegen eine A99 getauscht und zwischendurch auch die A5100 und A6000 ausprobiert. Früher habe ich einen Sony HDR-XR520 Camcorder benutzt und im Filmclub haben wir seit einigen Jahren 2 CX550 von Sony. Also genug Möglichkeiten, die verschiedenen Arten gegenüber zu stellen. Neuerdings habe ich auch noch eine gebrauchten Sony PJ-810 Camcorder gekauft.
Zuerst ist es wichtig, sich klarzumachen, was man filmen will, dann kann man sich überlegen, welche Art von Kamera am geeignetsten ist. Die Filmqualität aller von mir benutzten Kamera war in FULL-HD vollkommen ausreichend, es geht also mehr darum, für welche Gelegenheiten welche Kamera mehr oder weniger geeignet ist.
Fangen wir mal an mit der A99. Diese Sony Kamera ist eine Vollformat Kamera mit einem 24x36mm großem Sensor. Dieser große Sensor wird auch für das Filmen verwendet, allerdings werden nicht alle Pixel ausgelesen, es findet ein sogenanntes Pixel-Binning statt. Die Qualität des Filmmaterials ist trotzdem hervorragend und liegt weit über dem, was auch teuere Camcorder abliefern können. Mit den entsprechenden lichtstarken Objektiven ist auch bei wenig Licht immer noch eine sehr gute Qualität vorhanden. Man kann problemlos bis ISO 3200 gehen, ohne das ein Rauschen sichtbar vorhanden wäre. Also eigentlich die beste Möglichkeit, um qualitativ hochwertige Aufnahmen zu machen. Wo ist dann das Problem? Die Schärfentiefe ist es. Durch den Vollformat Chip hat man eine sehr niedrige Schärfentiefe. Jetzt werden sicher alle schreien: Jaaa, das möchte ich doch haben. Das ist richtig, aber in den meisten Fällen ist das in szenischen Filmen gewünscht. Bei Reportagen kann das sehr schnell hinderlich sein, denn da habe ich oft die Zeit nicht, dauernd die Schärfe nachzustellen. Aber auch in Spielfilmen bei Nahaufnahmen ist die Schärfentiefe oft nur wenige Zentimeter und wenn sich der Darsteller auf die Kamera zu oder wegbewegt, dann muss man die Schärfe nachstellen. Einen zweiten Punkt möchte ich auch noch aufführen: Bei handgeführter Kamera ist eine Fotokamera zum Filmen nie so gut geeignet wie ein Camcorder. Deshalb gibt es am Markt inzwischen viele Hilfsgeräte, damit man die Kamera besser halten kann.
Kommen wir mal zum Camcorder. Wo ist der größte Unterschied? Die meisten Camcorder haben einen sehr kleinen Sensor, oft nur 1/5.8″. Die PJ810 hat z.B. einen Sensor mit 1/3,95″. Die neuen Camcorder haben schon auch einen 1″ Sensor. Wenn ich mal alle Formate vergleichen darf, dann ist der Unterschied zwischen meinem Camcorder und meiner Vollformatkamera: Die Sensorfläche vom Vollformat ist 118mal größer. Was bedeutet das in der Praxis? Stellt man bei Blende 5,6 und einem 50mm Objektiv (4,6mm beim Camcorder) eine Person in 1m Entfernung hin, dann ist die Tiefenschärfe bei der Vollformatkamera bei 9 cm, alles im Bereich 96 und 104 cm wird scharf sein. Selbst bei 5m Abstand sind es nur Beim Camcorder entspricht das 4,6mm Brennweite und die Tiefenschärfe wird bei 0 bis unendlich liegen. Möchte ich mit meinem Camcorder eine niedrige Tiefenschärfe haben, dann müsste ich die Person in einem Meter Entfernung mit vollem Tele des Camcorders aufnehmen, dann sehe ich die Person aber nicht, sondern höchstens ein Auge.
Format | Breite | Höhe | Fläche | Cropfaktor |
VF | 36,0 | 24,00 | 864,00 | 1,0 |
APS-C | 22,2 | 14,80 | 328,60 | 1,6 |
1 Zoll | 13,2 | 8,80 | 116,20 | 2,7 |
1/3,2 Zoll | 4,5 | 3,40 | 15,30 | 8,7 |
1/3,95 Zoll | 3,3 | 2,20 | 7,30 | 10,8 |
1/5,8 Zoll | 2,2 | 1,50 | 3,30 | 14,1 |
Was ist also die Folge: Wenn ich eine Reportage drehen will, wo ich mit niedrigen Blendenwerten arbeiten muss und die Personen dabei nahe stehen, dann werden vieler meiner Aufnahmen mit der A99 unscharf sein. Aber ich habe doch einen Autofokus? Naja, der hilft hier aber nicht viel, weil er dann oft auf die falsche Person oder sogar den Hintergrund scharf stellt und ich habe nicht die Zeit alles manuell scharfzustellen. Folge: ich werde für eine solche Reportage meinen Camcorder nehmen, denn dort ist alles immer scharf.
Möchte ich jedoch einen Film machen, wo ich viel Zeit habe, alle Aufnahmen genau vorbereiten kann und möchte ich „filmisch“ arbeiten, also mit der Schärfeebene spielen, dann ist eine Vollformatkamera sehr gut geeignet. Und gleich noch ein Grund für die Vollformat: Wenn ich nur wenig Licht zur Verfügung habe. Der Camcorder muss das Signal deutlich verstärken und fängt damit an zu rauschen. Das versucht wiederum die Software des Camcorders auszugleichen und alles wird „glattgebügelt“, die Aufnahmen schauen nicht mehr gut aus auch die Farben werden schnell flau. Beim Vollformat habe ich viel mehr Spielraum mit lichtstarken Objektiven und hohen ISO Zahlen zu spielen. öchte ich Aufnahmen machen, wo ich auch mal „zoome“, obwohl das bei Filmern verpönt ist, dann ist eine Foto-Kamera mit Wechseloptik denkbar ungeeignet. Zoomobjektive haben keinen Motorzoom, ich muss per Hand zoomen und das wird nie „weich“ sein, schaut also nicht gut aus. Da ist also ein Camcorder viel besser geeignet oder natürlich auch System/Kompaktkameras, die einen Motorzoom haben. Möchte ich Aufnahmen machen, wo ich den Fokus verstelle, also die Schärfeebene verlagere, dann ist das genauso. Auch hier haben Kameras mit Wechseloptiken so etwas nicht vorgesehen. Natürlich haben auf diesen Umstand schon verschiedene Hersteller reagiert und sog. „Follow-Focus“ Vorrichtungen auf den Markt gebracht. Es gibt inzwischen sogar extra Objektive dafür, die eine Art Zahnrad auf dem Tubus haben. Alle diese Vorrichtungen benötigen aber einen Rig, wodurch die Kamera durchaus recht unhandlich wird. Was ist aber mit den Kameras zwischen diesen Extremen Vollformat und Camcorder? Das ist auf jeden Fall eine mögliche Lösung. Die kleinen APS-C Kameras wie die A6000 werden in der Charakteristik eher bei der Vollformat liegen, Kameras mit kleineren Sensoren wie MFT oder 1″ können nicht mehr „so“ gut freistellen wie eine Vollformat, eignen sich dafür aber auch schon für Reportagen. Kameras mit Wechseloptiken können beim Filmen den Nachteil haben, dass ich ab und zu das Objektiv wechseln muss, dass ich nicht so einfach zoomen oder die Schärfeebene während der Aufnahme verstellen kann. Systemkameras mit festen Objektiven haben zwar einen Motorzoom, aber wiederum den Nachteil, dass ein Superzoom (unter Fotografen auch „Suppenzoom“ genannt) nie die Qualität eines Fotoobjektivs erreichen kann. Resumee: Es hängt alles davon ab, was ich drehen will und welche Qualitätsansprüche ich stelle. Ich bin hier extra nicht auf Proficamcorder eingegangen, die oft beide Qualität haben, denn die sind ausserhalb meines und auch vieler anderen Budgets. Ich bin nur ein Amateurfilmer, der aber die bestmögliche technische Qualität aus seinem Gerät rausholen will.
Zusammenfassung der Vorteile DSLR/SLT im Vollformat:
- niedrige Schärfentiefe, damit schauen die Aufnahmen „filmischer“ aus, der Zuschauer kann durch die Schärfeebene zusätzlich gelenkt werden, was im Bild wichtig ist (Filmlook)
- hohe Lichtausbeute, auch bei wenig Licht und hohen ISO Zahlen gelingen qualitativ hervorragende Aufnahmen
- durch hochwertige Objektive und großen Sensor ist die technische Qualität der Aufnahmen hervorragend
Zusammenfassung der Vorteile Camcorder mit kleinem Sensor:
- hohe Schärfentiefe, dadurch für Reportagen sehr gut geeignet
- Motorzoom
- kein Objektivwechsel nötig, 12fach Zoom deckt fast immer alles ab
- einfachere Handhabung beim Filmen